«Die Elternzeit-Initiative fördert die Gleichstellung und stärkt die Familie.»

Am 15. Mai stimmt die Zürcher Stimmbevölkerung über die Elternzeit-Initiative ab. SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf erklärt im Interview, warum es höchste Zeit für eine Elternzeit ist und wie der Kanton Zürich damit zum Vorbild für die ganze Schweiz werden kann.
«Die Vorteile der Elternzeit sind längst bekannt»: SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf.
«Die Vorteile der Elternzeit sind längst bekannt»: SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf.

Frau Seiler Graf, am 15. Mai stimmen wir über die Elternzeit-Initiative ab. Worum genau geht es da?

Priska Seiler Graf: Mit nur gerade 14 Wochen Mutterschutz und zwei Wochen Vaterschaftsurlaub hinkt die Schweiz ihren Nachbarländern und anderen europäischen Staaten meilenweit hinterher. Dabei sind die Vorteile einer Elternzeit längst bekannt. Mit unserer Initiative fordern wir deshalb je 18 Wochen Elternzeit für alle Mütter und Väter.

 

 

Welche Vorteile bringt eine Elternzeit?

Erstens fördert sie die Gleichstellung, indem sie Eltern endlich frei entscheiden lässt, wer welchen Anteil an Erwerbs- und Betreuungsarbeit übernimmt. Zweitens stärkt sie die Familie, weil Eltern die Verantwortung besser unter sich aufteilen können. Die Präsenz beider Elternteile wirkt sich zudem positiv auf die Entwicklung der Kinder aus. Und drittens bekämpft sie die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Sie sagen, dass Eltern dank Ihrer Initiative endlich frei entscheiden könnten, wer welchen Anteil an Erwerbs- und Betreuungsarbeit übernimmt. Die Initiative weist aber beiden Elternteilen fix je 18 Wochen Elternzeit zu. Widerspricht sich das nicht?

Im Gegenteil. Weil Mütter heute nach der Geburt viel länger zu Hause sind als ihre Partner, rutschen viele Paare ungewollt in ein Rollenmodell hinein, bei dem die Mutter den grössten Teil der Haus- und Erziehungsarbeit übernimmt. Damit eine freie Entscheidung für die Eltern überhaupt erst möglich wird, braucht es gleichberechtigte Startbedingungen. Genau die schaffen wir mit unserer Initiative, indem wir beiden Eltern je 18 Wochen Elternzeit ermöglichen.

Damit Eltern endlich frei entscheiden können, wer welchen Anteil an Erwerbs- und Betreuungsarbeit übernimmt, brauchen sie gleiche Startbedingungen.

Väter können doch auch einfach Urlaub beziehen, wenn sie mehr Verantwortung zu Hause übernehmen möchten.

Selbst wenn ein Vater seinen kompletten Jahresurlaub nach der Geburt beziehen würde, käme er zusammen mit dem Vaterschaftsurlaub bestenfalls auf die Hälfte der 14 Wochen Mutterschutz. Das würde herzlich wenig am Problem ändern. Und unbezahlten Urlaub müssen Sie sich erst mal leisten können. Die meisten frischgebackenen Eltern können das nicht. Nein: Wenn wir Eltern eine freie Wahl und jungen Familien den bestmöglichen Start ermöglichen wollen, dann kommen wir an der Elternzeit nicht vorbei.

Wie wirkt sich die Elternzeit auf das Familienleben aus?

Dank Elternzeit können Eltern die Verantwortung in der Kinderbetreuung besser unter sich aufteilen. Davon profitiert die ganze Familie. So ist z.B. nachgewiesen, dass die Präsenz beider Elternteile einen positiven Effekt auf die Entwicklung der Kinder hat. Die Entlastung durch den Partner oder die Partnerin nach der Geburt wirkt sich zudem positiv auf die Gesundheit von Mutter und Kind aus.

Sie haben eingangs die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt erwähnt. Wie soll die Elternzeit da helfen?

Viele junge Frauen werden heute bei Anstellungen oder Beförderungen übergangen, weil sie im Falle einer Mutterschaft länger «ausfallen» könnten als ihre männlichen Kollegen und Mitbewerber – und das selbst dann, wenn sie gar keine Kinder möchten. Die dadurch erlittenen Lohneinbussen gegenüber den Männern holen Frauen bis zum Ende ihrer beruflichen Laufbahn nicht mehr auf. Eine paritätische Elternzeit mit je 18 Wochen für Mütter und Väter sorgt hier endlich für gleich lange Spiesse.

Viele junge Frauen werden heute bei Anstellungen oder Beförderungen übergangen – selbst dann, wenn sie gar keine Kinder möchten.

Entstehen die Lohneinbussen nicht primär dadurch, dass viele Frauen freiwillig ihre Stellenprozente reduzieren?

Auch das trägt zu den Lohneinbussen bei, klar. Das geschieht aber beileibe nicht bei allen freiwillig. Dass viele Paare unfreiwillig in ein Rollenmodell hineinrutschen, bei dem ein Grossteil der Haus- und Erziehungsarbeit auf der Frau lastet, haben wir ja bereits festgestellt. Und dann dürfen wir auch nicht vergessen, dass Frauen immer noch fast 20 Prozent weniger Lohn erhalten als Männer. Wenn das Familienbudget knapp ist, ist das schnell ausschlaggebend dafür, dass halt die Frau reduziert.

Die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau wird eine Elternzeit aber auch nicht beheben können.

Die Elternzeit ermöglicht es Familien, die Erwerbs- und Betreuungsarbeit gleichmässiger zu verteilen. Das ermöglicht es mehr Müttern, nach der Elternzeit wieder in ihren Beruf zurückzukehren und ihr Pensum nicht oder weniger stark zu reduzieren. Dadurch bleiben auch ihre Löhne höher, was ihnen mehr finanzielle Unabhängigkeit gibt. Und ganz wichtig: Sie können sich dadurch auch eine höhere Rente erarbeiten.

Welche Auswirkungen hätte eine Elternzeit auf die Wirtschaft?

Die Elternzeit hätte auch für unsere Unternehmen Vorteile. So sind z.B. Firmen mit Elternzeit attraktive Arbeitgebende. Gerade bei der Rekrutierung von hochqualifizierten Fachkräften kann das ein wichtiger Standortvorteil sein. Und wenn mehr gut ausgebildete Frauen nach der Mutterschaft wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren, hilft das erst noch gegen den Fachkräftemangel.

Das tönt ja alles gut und recht. Aber wie soll diese Elternzeit finanziert werden?

So wie heute schon der Mutterschutz oder auch der Militärdienst: über die Erwerbsersatzordnung, also durch Beiträge von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden.

Müsste eine Elternzeit nicht auf Bundesebene geregelt werden?

Wir würden noch so gerne eine Elternzeit auf Bundesebene einführen! Aber bereits der sehr moderate Vorschlag für einen Vaterschaftsurlaub von vier Wochen hatte im nationalen Parlament keine Chance. Deshalb braucht es nun fortschrittliche Kantone, die mit eigenen Lösungen vorangehen und damit zum Vorbild für die ganze Schweiz werden. Wer soll das sein, wenn nicht wir in Zürich?

 

 

Damit wir diese wegweisende Abstimmung gewinnen können, sind wir auf jede einzelne Stimme angewiesen. Kannst du dabei helfen und fünf Freunde oder Familienmitglieder daran erinnern, Ja zu stimmen?